Glossar – Gedächtnis und Lernen
„Lernen ist eine relativ überdauernde Verhaltensänderung auf der Grundlage von Erfahrungen.
Kein Lernen liegt vor, wenn die Verhaltensänderung durch körperliche Reifung, Reflexe, Instinkte, Ermüdung, Drogen oder biologische Triebzustände etc. induziert wird.“1
Unser Gedächtnis ist eine Einheit aus Merk- und Erinnerungsfähigkeit:
Als Merkfähigkeit bezeichnet man die Bildung von Gedächtnisspuren zur Speicherung von Wahrnehmungen und Erfahrungen, durch welche dann Erinnerung möglich wird.
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Merkfähigkeit | Bildung von Gedächtnisspuren (= Engrammen)
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Erinnerungsfähigkeit | Gedächtnisspuren ermöglichen Erinnerung (= Ekphorie)
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Einteilung
... nach der ‚Dauer’ der Speicherung:
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Langzeitgedächtnis | Speichert langfristig Wahrnehmungen durch Verfestigung der Gedächtnisspuren.
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Kurzzeitgedächtnis (Arbeitsgedächtnis) | Speichert Informationen für wenige Sekunden bzw. enthält momentan aktivierte, dem Bewusstsein zugängliche Inhalte, bis diese durch andere ersetzt (‚überlagert’) werden.
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... und nach dem ‚Inhalt’, der gespeichert wird:
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| Inhalt | Vorwiegend beteiligte Gehirnstrukturen
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Semantisches Gedächtnis | Bedeutungswissen: Allgemeine Fakten, allgemeines Wissen
| Neocortex, insb. Temporallappen |
Episodisches Gedächtnis | Erinnerung an Erlebnisse: Episoden, Ereignisse und Fakten aus dem eigenen Leben
| Neocortex, insb. rechter Frontal- und Temporallappen
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Prozedurales Gedächtnis | Handlungswissen: Automatisierte Handlungsabläufe bzw. Fertigkeiten, die oft geübt wurden (z. B. Gehen, Radfahren, Klavierspielen)
| V. a. Kleinhirn und Basalganglien |
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| Quelle: de.wikipedia.org/wiki/ Gedächtnis
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Der Neocortex ist ein Teil der Großhirnrinde (= Cortex cerebri).
Diese besteht aus einer Schicht ‚grauer Substanz’ (= Substantia grisea).
Eingeteilt wird die Großhirnrinde in Rindenfelder bzw. Brodmann-Areale.
-> Siehe auch: Wunderwerk Gehirn – Rindenarchitektonik, Substantia grisea
Der Frontallappen (Stirnlappen) enthält Assoziationsareale und das Broca-Sprachzentrum (motorisches Sprachzentrum); der Temporallappen (Schläfenlappen) das Hörzentrum und das Wernicke-Zentrum für die Spracherkennung.
-> Siehe auch: Glossar – Fossa cranii
Kleinhirn
-> Siehe: Wunderwerk Gehirn – Kleinhirn etc.
Basalganglien
Zu den Basalganglien (Stammganglien) gehören:
Streifenhügel (Striatum, Corpus striatum)
Vormauer (Claustrum)
Mandelkern (Amygdala, Corpus amygdaloideum)
Palllidum (Globus pallidus)
Nucleus subthalamicus (Luys-Körper)
Nucleus ruber
Substantia nigra
Formatio reticularis
Striatum, Pallidum, Nucleus subthalamicus, Nucleus ruber und Substantia nigra gehören zum ‘extrapyramidalen System’.
-> Siehe: Glossar – Basalganglien, Limbisches System etc.
Amygdala und Hippocampus - Teile des Limbischen Systems
Die Amygdala spielt bei der Speicherung von ‚gefühlsmäßig gefärbten’ Gedächtnisinhalten und bei Angstreaktionen eine große Rolle.
Zum Nachdenken ...
„Zur Definition von Angst und Furcht:
Angst ist eine emotionale Reaktion begleitet von Reaktionen auf Verhaltens- und physiologischer Ebene, die von Umweltreizen ausgelöst wird, die ihre Fähigkeit Angst auszulösen nicht erst durch Lernprozesse, d.h. der Paarung mit einem aversiven Reiz, z.B. einem Fußschock erwerben müssen. Eine Extinktion* der Angstreaktion durch wiederholte Darbietung der angstauslösenden Reize kann nicht induziert werden."
* Definition Extinktion [Pschyrembel 1994]:
Physiologisch: Erlöschen bedingter Reflexe infolge Fehlens des unkonditionierten Stimulus.
Psychologisch: Rückbildung erlernten Verhaltens bei nicht wiederholter Reiz/Reaktionsverknüpfung oder Nachlassen belohnender Verstärkerwirkung.
Neurologisch: Nichtbeachten eines Reizes bei doppelt simultaner Stimulation.
"Furcht ist hingegen eine emotionale Reaktion, begleitet von Reaktionen auf Verhaltens- und physiologischer Ebene, die von Umweltreizen ausgelöst wird, die ihre Fähigkeit Furcht auszulösen erst durch Lernprozesse, d.h. wiederholte oder einmalige Paarung mit unkonditionierten aversiven Reizen, erwerben müssen. Furcht kann im Gegensatz zu Angst durch gegenläufige Erfahrungen, z.B. dass der konditionierte Reiz nicht mehr von aversiven Konsequenzen gefolgt wird, auch wieder abgeschwächt werden.“
[Quelle: Siehe Diplomarbeiten etc. – Lernen und Gedächtnis, S. 85]
Der Hippocampus spielt eine wichtige Rolle nicht nur bei der Gedächtnisbildung, sondern auch bei bestimmten Epilepsieformen und bei Schizophrenie ...
Er liegt im Scheitellappen (Parietallappen) an der medialen Wand des Unterhorns des Seitenventrikels
(1. und 2. Hirnventrikel) und verläuft bis zum Balken (Corpus callosum).
Kurz- und Langzeitgedächtnis, Amygdala, Hippocampus und Furchtkonditionierung
Zum Nachdenken ...
„Während das Kurzzeitgedächtnis dieser kontextabhängigen Furchtkonditionierung ausschließlich in der Amygdala gebildet wird, ist das Langzeitgedächtnis von der Amygdala und dem Hippokampus abhängig.“
„Die implizite Gedächtniskomponente der Furchtkonditionierung liegt in der Assoziation
zwischen dem ursprünglich neutralen Ton mit dem Fußschock, was zu einer konditionierten
Furchtreaktion auf den Ton führt. ... Die Assoziation stellt eine klassische Pavlovsche
Konditionierung dar, die ausschließlich amygdalaabhängig und damit
hippokampusunabhängig ist.“
[Quelle: www.diss.fu-berlin.de/diss/servlets/MCRFileNodeServlet/
FUDISS_derivate_000000001351/4_4.pdf;
jsessionid=428C15FB85A75333309944112BFA7FD9?hosts=
Stichworte: Räumliches Lernen, Furchtkonditionierung, tonabhängige Furchtkonditionierung, conditioned taste aversion]
-> Siehe auch: Angst, Angstaussagen; Wunderwerk Gehirn; Fragen, Fragen, Fragen – Epilepsie; Glossar – ATP (‚schizophrenic illness’, NMDA-Rezeptor etc.), Limbisches System; de.wikipedia.org/wiki/Hippocampus
Die ‚klassische Pawlow-Konditionierung’ ...
... ist also ausschließlich amygdalaabhängig (... und hippokampusunabhängig ...).
Konditionierung
Als Konditionierung bezeichnet man das Erzeugen einer bedingten (= ‚konditionierten’) Reaktion durch Lernen. Man unterscheidet zwei Formen:
Die ‚klassische’ und die ‚operante Konditionierung’.
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Klassische Konditionierung (Pawlow-Konditionierung) | Sog. ‚Signallernern’. Klassisches Beispiel: Der ‚Pawlow-Hund’
Herbeiführen einer bedingten Reaktion bzw. eines bedingten Reflexes (‚Speichelfluss’) durch wiederholte Verknüpfung des Reflexauslösers (‚Futter’; sog. unkonditionierter Reiz) mit einem zunächst neutralen Reiz (‚Glockenton’; sog. konditionierter Reiz) ...
‚Ergebnis’ der ‚Konditionierung’: Der Speichelfluss wird schließlich ausgelöst nur allein durch Ertönen des Glockentons - ohne die anfänglich auslösende Futterdarbietung ...
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Operante Konditionierung
| Instrumentelle Konditionierung, sog. Lernen am Erfolg. Die Verknüpfung einer Handlung oder Verhaltensweise mit verstärkenden Reizen (sog. ‚Verstärker’) führt zu einer Verhaltensänderung:
Positive Verstärker führen zu einer Wiederholungstendenz, negative Verstärker zu einem Vermeidungsverhalten ...
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Löschen einer Konditionierung ... | Der Lerninhalt der Konditionierung kann durch Extinktion* gelöscht – bzw. ‚verlernt’ - werden (s. o.).
* Erlöschen einer gelernten (= bedingten) Reaktion:
-> Siehe auch: Fragen, Fragen, Fragen – Neglect, Extinktion
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-> Siehe auch: Was uns nicht hilft
Acetylcholin ...
„Es scheint erwiesen, dass es bei Lernvorgängen eine maßgebliche Rolle einnimmt.“
[Quelle: de.wikipedia.org/wiki/Acetylcholin]
-> Siehe: Essen & Co. – Acetylcholin; Nervensystem; Zum Nachdenken – Cholin
„Der Neurotransmitter Azetylcholin wurde in der Vergangenheit in Verbindung mit Lern- und Gedächtnisprozessen diskutiert ...“
-> Siehe auch: Diplomarbeiten etc. – Lernen und Gedächtnis, S. 139
Acetylcholin ...
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... ist physiologischer Neurotransmitter |
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... bindet | An nicotin- oder muscarinarige Rezeptoren des Erfolgsorgans.
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... bewirkt | Eine Erhöhung der Membrandurchlässigkeit:
Die Wirkungsdauer von Acetylcholin ist wegen seines schnellen Abbaus sehr kurz.
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Acetylcholinesterase | Ist eine Cholinesterase, die insbesondere in den Synapsen vorkommt.
Funktion: Rasche Hydrolyse* von Acetylcholin in Cholin und Acetat. Diese sind weniger wirksam ...
* Hydrolyse = Spaltung von Verbindungen unter Wasseraufnahme
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Cholinesterase | Ist ein Enzym, das u. a. Acetylcholin spaltet in: Essigsäure* und Cholin
Vorkommen: Serum, Pankreas (Bauchspeicheldrüse)
* Essigsäure ist wichtiges Zwischenprodukt im Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel. Coenzym A (= CoA) ist sog. ‚aktive Essigsäure’ und die biologisch aktive Form bzw. Bestandteil der Pantothensäure (Vitamin B5).
Pantothensäure liefert die zentralen SH-Gruppen bei der Fettsäuresynthese. [Pschyrembel 1994]
[SH-Gruppe = Sulfhydrylgruppe; ist in vielen biochemisch wichtigen Verbindungen enthalten, z. B. in Glutathion bzw. Glutathionsulfhydryl.]
-> Siehe auch: Esssen & Co. – Fette, Fettstoffwechsel; Fragen, Fragen, Fragen – Galaktose, Fruktose, Glutathion und GABA
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Cholinesterasehemmer | Hemmen das Enzym Cholinesterase und führen damit zu einer verlängerten Wirkung von Acetylcholin, d. h. zu einer weiterhin erhöhten Membrandurchlässigkeit - durch die erhöhte Konzentration von Acetylcholin am Rezeptor.
Man unterscheidet: 1. Reversible Cholinesterasehemmer, die als indirekt wirkende Parasympathomimetika verwendet werden. 2. Irreversible Cholinesterasehemmer, die v. a. in Insektiziden verwendet werden (Phosphorsäureester; z. B. E605, chemische Kampfstoffe).
Parasympathomimetika (syn. Cholinergika) sind Substanzen, die die Wirkung des Parasympathikus nachahmen.
Man unterscheidet: 1. Direkt wirkende, die ähnlich wie Acetylcholin mit Muscarinrezeptoren reagieren (Muscarin-Rezeptor-Agonisten). 2. Indirekt wirkende – reversible und irreversible - Cholinesterasehemmer.
Parasympathomimetika (!) sind kontrainduziert (!) u. a. bei: Asthma bronchiale Überfunktion der Schilddrüse (Hyperthyreose) Parkinson-Syndrom
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Esterasen | Sind Enzyme, die Esterbindungen hydrolytisch (= unter Wasseraufnahme ...) spalten. Verschiedene Esterasen sind in den Lysosomen lokalisiert.
Zur Erinnerung ... Lysosomen werden im Golgi-Apparat gebildet; sie enthalten Hydrolasen (Enzyme, die Verbindungen unter Anlagerung von Wasser spalten).
-> Siehe auch: Glossar – Zellorganellen
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Cholin | Ist ein quartäres Ammoniumsalz und Bestandteil des Lezithins und der Phosphatide. Es ist in der Nahrung enthalten und fungiert als Methylgruppendonator ('Spender').
Aus Cholin können Glycin und Sarkosin gebildet werden.
Zur Erinnerung ...
Und zum Nachdenken, ‚Querdenken’ ...
„Folsäure zählt allgemein zu den kritischen Nährstoffen fast aller Bevölkerungsgruppen.“ [Pschyrembel]
-> Siehe auch: Essen & Co. – Aminosäuren, Fette (Surfactant etc.), Acetylcholin, Vitamine; Biosynthese von Sphingosin; Mineralstoffe; Glossar – ATP (Kreatin etc.), Makrophagen (Glycin etc.); Zum Nachdenken - Cholin
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Motorische Endplatte | Endigungsbereich einer motorischen Nervenfaser auf einer Muskelfaser (präsynaptische Membran - postsynaptische Membran). Die marklose Nervenendigung enthält zahlreiche Mitochondrien und Vesikel mit darin gespeichertem Acetylcholin.
-> Siehe auch: Nervensystem; Fragen, Fragen, Fragen – Epilepsie; Glossar - Zellorganellen
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[Quelle: Pschyrembel – 1994; 2007]
Und zur Erinnerung ...
An der Synthese von ACETYLCHOLIN ist Thiamin (Vitamin B1) beteiligt.
-> Siehe auch: Essen & Co. – ‚Wasser-Vitamine’; Glossar – Beriberi, Thiaminmangel
Und zum Weiterlesen ...
„Der Gedächtnisinhalt ist in den Verbindungen der Nervenzellen, den Synapsen, niedergelegt, ....“
[de.wikipedia.org/wiki/Gedächtnis]
„Dabei ist es nicht eine einzelne Synapse oder Zelle, die den Gedächtnisinhalt speichert, sondern ein ganzes Netzwerk von synaptischen Verbindungen.“
[Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie: Wie funktioniert Lernen?
http://www.mpibpc.mpg.de/Fragen-Portal/Antworten-Archiv/Wie_funktioniert_Lernen/index.html
Stichworte: Bewusstes und unbewusstes Lernen, aktive Synapsen im Hippocampus, Calcium-Einstrom, Synapsen sind veränderbar etc.]
Quelle und zum Weiterlesen:
Klinisches Wörterbuch ‚Pschyrembel’
Siehe auch:
Fragen, Fragen, Fragen – Aminosäureaustausch
Glossar – Arg3.1
1Aus: „Auswirkungen einer genetischen N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptor Untereinheitensubstitution auf Gedächtnisprozesse, Ängstlichkeit, Explorationsverhalten, Motorik und post-mortem Hirnazetylcholinkonzentrationen in der Maus“;
Inaugural-Dissertation von Ekrem Dere aus Heidelberg; ULBD, Düsseldorf (2003)
http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn=969771703&dok_var=d1&dok_ext=pdf&filename=969771703.pdf
-> Siehe auch: Diplomarbeiten etc. – Lernen und Gedächtnis