Der Thalamus

(Frühere Bezeichnung: Thalamus opticus)

 

 

"Sehhügel" - "Tor zum Bewusstsein"

 

Der Thalamus ist die grösste 'graue' Kernmasse des Zwischenhirns.

Es sind Kerne der 'vegetativen Zentren', also Funktionen, die 'automatisch' ablaufen und die wir nicht willentlich und bewusst steuern können.

 

-> Siehe auch 'Wunderwerk Gehirn: Nuclei; Substantia grisea'

 

Der Thalamus ist über entsprechende Fasersysteme mit anderen Teilen des Zentralen Nervensystems (ZNS = Gehirn und Rückenmark) verbunden - v. a. mit:

 

- Grosshirnrinde

- Extrapyramidalem System

- Kleinhirn

- Rückenmark

 

Der Thalamus ist 'Umschaltstation' für optische und akustische Bahnen.

 

 

Zum Nachdenken ...

 

Viele 'Menschen mit Autismus' beschreiben, dass es jeweils sehr schwer fällt, gleichzeitig zu hören und zu sehen, weil dadurch die 'sensorischen Kanäle' durcheinandergeraten ...

Donna Williams beschreibt sich selbst als Monokanal: Sie kann nicht gleichzeitig sehen und hören ...

In Temple Grandin - 'Ich bin die Anthropologin auf dem Mars'

 

 

Funktionen des Thalamus

 

Er ist Sammel- und Umschaltstelle, 'Koordinationszentrum' für alle sog. 'sensibel-sensorischen' Erregungen (aus der Innen- und aus der Umwelt), die er an die Grosshirnrinde weiterleitet:

 

Berührungs-, Schmerz- und Temperaturempfindungen

= 'exterozeptive Reize', also 'Reize von ausserhalb'

 

Geschmacks-, Eingeweide- und Gleichgewichtsempfindungen

= 'propriozeptive Wahrnehmungen', also Wahrnehmungen aus dem eigenen Körper

 

Die Wahrnehmungen erfolgen jeweils über 'Rezeptoren'; es gibt dafür Zellen mit besonderen Strukturen:

  • Mechanorezeptoren für das Tastempfinden
  • Pressorezeptoren für das Empfinden von Druck
  • Thermorezeptoren für das Kälte- und Wärmeempfinden
  • Photorezeptoren für die Lichtempfindlichkeit
  • Chemorezeptoren für Riechen, Schmecken und Körperfunktionen wie z. B. die Atmung
  • Osmorezeptoren für den 'Wasserhaushalt' im Körper

Sog. 'Membranrezeptoren' setzen Signale um, die durch Hormone, Neurotransmitter, Mediatoren,  Antikörper, Antigene oder Medikamente übermittelt werden (z. B. Hormonrezeptoren, adrenerge Rezeptoren für Adrenalin, Noradrenalin und Isoprenalin, Oberflächenrezeptoren, spezifische Rezeptoren v. a. im ZNS = Gehirn und Rückenmark).

 

Die sog. 'Propriozeptoren' gehören zu den 'Mechanorezeptoren'. Mit ihrer Hilfe können wir unsere Lage im Raum wahrnehmen und sie kontrollieren. Sie liegen in Haut, Muskeln, Sehnen, Gefäßen, Herz und Lunge, im Magen-Darm-Trakt und in der Harnblase. Sie reagieren auf Druck oder Dehnung.

 

Auch die Rezeptoren des 'Vestibularapparates' gehören i. w. S. zu diesen 'Propriozeptoren'.

 

Zusammen mit dem 'extrapyramidalen System' ist der Thalamus auch beteilgt an den sog. 'Ausdrucksbewegungen' oder sog. 'Psychoreflexen' (= 'Bedingungsreflexe' = Reflexe, die mit psychischen Vorgängen zu tun haben ...). Es handelt sich dabei um motorische Reaktionen, die z. B. bei Schmerz oder gefühlsmässiger Anspannung oder Erregung als Abwehr-, Fluchtreflex oder Schmerzäusserung auftreten.

 

-> Siehe auch 'Leitungsbahnen'; 'Wunderwerk Mensch: Reflexe'

 

Der Thalamus gehört zum Zwischenhirn (= Diencephalon) -

wie auch Epithalamus, Subthalamus, Metathalamus und Hypothalamus.

Der II. Hirnnerv - Nervus opticus (= Sehnerv) - zieht ins Zwischenhirn.

 

Epithalamus

 

Der Epithalamus besteht aus Habenula und der Epiphyse.

Die Habenula, die sog. 'Zirbelstiele', verbinden die Epiphyse mit 'Markbündeln' des Thalamus (= 'Striae medullares thalami').

 

Subthalamus

 

Der Subthalamus besteht aus:

  • Nucleus subthalamicus -> gehört zum 'extrapyramidalen System'
  • Nuclei campi perizonalis -> 'Forel-Felder' mit Axonen des 'Fasciculus thalamicus'
  • Zona incerta -> graue und weiße Substanz, die zum Hypothalamus gehört

Der 'Fasciculus thalamicus' ist die wichtigste 'efferente' (= wegführende) Verbindung des

Pallidums zum 'Nucleus ventralis lateralis thalami'.

 

Die 'Nuclei ventrales thalami' sind Kerngruppen im Thalamus:

  • Die hinteren und mittleren Kerngruppen sind Schaltstellen für sensible und sensorische Bahnen aus der Peripherie (= Tractus thalamocorticalis; verläuft weiter zur Rinde der 'Hinteren Zentralwindung' = Gyrus postcentralis = sensibles Rindenfeld)
  • Die vorderen Kerngruppen erhalten Erregungen vom Pallidum, Kleinhirn, Nucleus interstitialis und geben sie weiter an die motorische Rinde (= 'Vordere Zentralwindung' = Gyrus precentralis).

'Vordere und Hintere Zentralwindung' liegen jeweils vor und hinter dem 'Sulcus centralis cerebri', der sog. 'Zentralfurche'; es ist die Grenze zwischen Stirn- und Scheitellappen (Frontal- und Parietallappen).

 

An der medialen Fläche des Stirnlappens - unter dem 'Rostrum' (= Schnabel) des Corpus callosum

(= Balken) - verläuft der 'Gyrus paraterminalis'.

 

Der 'Balken' enthält 'Kommissurenbahnen' (= weiße Substanz).

Sie verbinden die beiden Großhirnhemisphären:

  • Die vorderen Fasern (= vordere Balkenzwinge) verbinden die Stirnlappen (= Frontallappen). Hier liegen alle motorischen Funktionen der Großhirnrinde und das 'Broca-Areal' für die Sprachproduktion, und es ist ein wichtiger Bereich, der das 'Handeln' beeinflusst - z. B. die 'Spontaneität'.
  • Die hinteren Fasern (= hintere Balkenzwinge) verbinden die Hinterhauptlappen (= Occipitallappen). Im Hinterhauptlappen mündet der Sehnerv; hier werden Seheindrücke verarbeitet und 'bewusst', und sie werden hier auch 'gespeichert'.

... der Vollständigkeit halber:

  • Im Schläfenlappen (= Temporallapen) liegt die Hörregion und das akustische Sprachzentrum für Worterkennug und Worterinnerung, für Klang- und Geräuscherkennung. Und hier befindet sich das Rindenareal für die 'Riechfunktion'.
  • Der Scheitellappen (= Parietallappen) nimmt alle Empfindungen aus dem Körper auf, die mit dem Tast-, Druck-, Schmerz- und Temperaturempfinden zu tun haben (sog. somatosensorisches Rindenfeld).

Das sog. 'Tapetum' sind Faserverbindungen; sie bilden:

  • Die Seitenwand des 'Cornu temporale' (= sog. 'Unterhorn' des Seitenventrikels) im Schläfenlappen.
  • Die Seitenwand und das Dach des 'Cornu occipitale' (= sog. 'Hinterhorn' des Seitenventrikels) im Hinterhauptlappen.

Als 'Seitenventrikel' bezeichnet man den 1. und 2. Hirnventrikel im Großhirn.

 

-> Siehe auch 'Wunderwerk Gehirn: Hirnventrikel und Liquor'; 'Glossar: Balkenmangel'; 'Diplomarbeiten etc.: Großhirnrinde'

 

Der 'Nucleus interstitialis' liegt in der 'Formatio reticularis' (= 'Netz' aus grauer und weißer Substanz) des Mittelhirns. Er erhält Fasern von den

  • NUCLEI VESTIBULARES, den vier Endkernen des 'Nervus vestibularis bzw. vestibulocochlearis' im Boden des 4. Hirnventrikels (= 'Rautengrube'). 
  • Diese haben Verbindungen zu Rückenmark, Kleinhirn und dem 'Fasciculus longitudinalis medialis'.

Der 'Fasciculus longitudinalis medialis' liegt im Hirnstamm im hinteren Teil der 'Brücke' und ist ein auf- und absteigendes Fasersystem (= afferent und efferent).

 

Es verknüpft und koordiniert u. a.:

  • Die motorischen Hirnnervenkerne miteinander (!).
  • Den Vestibularapparat mit der Augen-, Hals- und Rumpfmuskulatur, z. B. Augen- und Kopfbewegungen nach einer Stimulation des Nervus vestibulocochlearis oder die Kau-, Zungen- und Schlundmuskulatur beim Sprechen oder Schlucken.

-> Siehe auch 'Hirnnerven'; 'Wunderwerk Gehirn: Substantia alba und grisea';

'Zum Nachdenken: Hypogonadismus; v. a. Dysraphiesyndrome'

 

Nucleus subthalamicus

 

Der 'Nucleus subthalamicus' gehört zum 'extrapyramidalen System'.

 

Bei einer Schädigung kommt es zur 'Hyperkinese' oder 'Hyperkinesie', einer gesteigerten Motorik - v. a. der Skelettmuskulatur - und evtl. zu unwillkürlich ablaufenden Bewegungen.

 

Man unterscheidet: Athetose, Chorea und Tourette-Syndrom.

 

Bei der Athetose  kommt es z. B. zu langsamen, 'geschraubten' Bewegungen.

 

Bei der Chorea (= sog. 'Veitstanz') besteht zusätzlich auch eine 'Hypotonie der Muskulatur', also eine herabgesetzte Muskelspannung, und es kommt zu regellosen, plötzlich auftretenden unwillkürlichen Bewegungen der Extremitäten (= Gliedmaßen) - meist asymmetrisch; diese Bewegungen können auch im Schlaf auftreten bzw. weiterbestehen.

 

Die Chorea kann auch eine unerwünschte Medikamentenwirkung sein (z. B. von Neuroleptika und Antiepileptika).

 

Beim Tourette-Syndrom (= Gilles-de-la-Tourette-Syndrom) treten ticartige Zuckungen auf,

v. a. im Gesicht:

  • Augenzwinkern, Mundverzerren oder Zungenschnalzen
  • Ruckartige Kopf- oder Schulterdrehungen

Evtl. 'Zwangshandlungen' wie z. B. Ausstoßen von Schreien, Nachahmen der Bewegungen anderer Personen (= Echopraxie) oder der Gebrauch vulgärer Ausdrücke (= Koprolalie).

 

Metathalamus

 

Der Metathalamus besteht aus dem 'Corpus geniculatum mediale et laterale' als 'Schaltstelle' der zentralen Seh- und Hörbahn:

  • Corpus geniculatum LATERALE -> Schaltstelle der Sehbahn
  • Corpus geniculatum MEDIALE  -> Schaltstelle der Hörbahn

-> Siehe auch 'Wunderwerk Mensch: Hörbahn, Sehbahn'

 

Hypothalamus

 

Der Hypothalamus besteht aus:

  • Chiasma opticum (= Sehnervenkreuzung* vor dem Hypophysenstiel)
  • Tractus opticus (= Abschnitt der Sehbahn zwischen Sehnervenkreuzung und Corpus geniculatum laterale, der Schaltstelle' der zentralen Seh- bzw. Hörbahn)
  • Tuber cinereum (= 'grauer Höcker' am Boden des 3. Hirnventrikels vor dem Hypophysenstiel)
  • Lamina terminalis (= Blättchen 'grauer Substanz' vor und über der Sehnvervenkreuzung; vorderer Teil des Bodens des 3. Hirnventrikels)
  • Hypophyse (= Hirnanhangdrüse)
  • Corpus mammillare (= Schaltstelle des 'Limbischen Systems')

* Sehnervenkreuzung: Hier vereinigen sich die beiden Sehnerven (Nervi optici; II. Hirnnerv) und verlaufen jeweils weiter als 'Tractus opticus'.

 

WICHTIG: Nur die 'inneren' (= nasalen) Netzhautfasern werden gekreuzt; die 'äußeren' (= temporalen) Fasern bleiben ungekreuzt.

 

-> Siehe auch 'Hypothalamus und Hypophyse'; 'Wahrnehmung: Sehprobleme'; 'Wunderwerk Mensch: Sehbahn'; 'Zum Nachdenken: Sehen und Lernen'

 

Die sog. 'Thalamushand'

 

Hierbei handelt es sich um eine auffällige Haltung der Hand bei einer Schädigung des Thalamus.

Sie zeigt sich durch:

 

- Einwärtsdrehung des Unterarms

- Beugung der Hand und der Finger im Grundgelenk

- Streckung der Finger in den übrigen Gelenken

 

 

Quelle und zum Weiterlesen:

Klinisches Wörterbuch 'Pschyrembel' und 'Naturheilpraxis heute'

 

Siehe auch:

Zum Nachdenken: Rautengrube

 

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