Rindenarchitektonik und Großhirn

 

Das Großhirn ist der Sitz des Bewusstseins:

Bewusste Empfindungen, (selbst-)bewusstes Handeln, Wille, Kreativität, Gedächtnis.

 

Aufbau des Großhirns

 

Großhirnrinde mit Rindenfeldern, Hirnwindungen und Furchen

 

- Sie enthält ca. 70 % aller Nervenzellen (Neuronen) des Gehirns.

- Sie ist Teil der sog. 'grauen Substanz' des ZNS (= Zentrales Nervensystem)

 

-> Siehe auch: Substantia grisea ('graue Substanz'); Nervensystem

 

 

Rechte und linke Hemisphäre

Diese sind in der Tiefe durch den sog. Balken (= Corpus callosum) miteinander verbunden.

 

-> Siehe auch: Kommissurenbahnen; Glossar - Balkenmangel

 

Die Großhirnhemisphären werden noch jeweils unterteilt in vier Großhirnlappen:

 

- Stirnlappen (Lobus frontalis)

- Scheitellappen (Lobus parietalis)

- Schläfenlappen (Lobus temporalis)

- Hinterhauptlappen (Lobus parietalis)

 

Die 'weiße Substanz' des Großhirns besteht aus Nervenfaserbündeln.

Sie verbinden verschiedene Hirnabschnitte miteinander.

Man unterscheidet:

  • Kommissurenbahnen: Verbinden linke und rechte Großhirnhemisphäre; hierzu gehört als grösste Bahn der 'Balken'
  • Assoziationsbahnen: Leiten die Impulse innerhalb einer Hemisphäre hin und her
  • Projektionsbahnen: Leiten Erregungen aus dem Körper zum Großhirn - und umgekehrt

Assoziationsfelder sind Areale der Großhirnrinde (= Cortex cerebri) ohne eine direkte Verbindung zu motorischen oder sensiblen Bahnen; sie sind über die 'Assoziationsbahnen' miteinander verbunden.

 

Die Assoziationsbahnen bestehen aus Nervenfasern, die sowohl benachbarte ('kurze Assoziationsbahnen') als auch weit auseinanderliegende Hirnbezirke ('lange Assoziationsbahnen') miteinander verbinden.

 

-> Siehe auch: Substantia alba; Leitungsbahnen etc.

  • Von Seelenblindheit (= visuelle Agnosie) spricht man, wenn das Assoziationsfeld, das optische Eindrücke wahrnimmt, zerstört ist: Seheindrücke werden zwar wahrgenommen, aber nicht erkannt.
  • Bei der Rindenblindheit (= cortical blindness, 'Amaurose' = Ausfall sämtlicher optischer Funktionen) sind beide Sehzentren in den Hinterhauptlappen zerstört. Ursache: V. a. eine zerebrale Durchblutungsstörung.

-> Siehe auch: Wahrnehmung; Wunderwerk Mensch - Sehbahn

 

Die Funktionsfelder des Großhirns

 

Primäres motorisches Rindenfeld

 

Hier liegen alle Nervenzellen für die Steuerung bewusster Bewegungen.

Je präziser eine Muskelbewegung abgestimmt sein muss, umso grösser ist das dafür zuständige Rindengebiet: Die Muskeln der Hand, die Muskeln für die motorische Sprachbildung und die Augenmuskeln z. B. haben 'grosse' Rindengebiete.

  • Das motorische Sprachzentrum (= Broca-Zentrum) liegt bei Rechtshändern im hinteren Teil der linken unteren Stirnwindung.
  • Bei Hör- oder Sehstörungen kann es zu einer verzögerten Sprachentwicklung kommen!

Pyramidenbahn

 

Sie übermittelt die Impulse für die bewussten Bewegungen.

Sie verläuft von den Nervenzellen im primären motorischen Rindenfeld zu den 'motorischen Kernen' der Hirnnerven und zum Rückenmark.

Ein grosser Teil der Pyramidenbahnfasern kreuzt im unteren Hirnstammbereich. Bei Verletzungen oberhalb dieser 'Kreuzung' zeigt sich deshalb eine Störung nicht auf der Seite der Verletzung, sondern auf der anderen Seite.

 

Ein grosser Teil der Pyramidenbahnfasern versorgt Arme und Hände.

 

-> Siehe auch: Leitungsbahnen

 

Extrapyramidales System

 

Es ist v. a. zuständig für unwillkürliche Muskelbewegungen und für die sog. Willkürmotorik - sie wird hier 'verfeinert'. Und der Muskelgrundtonus wird hier gesteuert.

Die Fasern verlaufen vom Großhirn zum Rückenmark.

Die Nervenzellen dieses Systems liegen in Kerngebieten unterhalb der Hirnrinde - und diese stehen in Verbindung mit der Großhirnrinde, dem Kleinhirn, dem visuellen System und dem Gleichgewichtssinn.

 

Sekundäre motorische Rindenfelder

 

Das primäre motorische Rindenfeld ist mit sekundären motorischen Rindenfeldern verbunden:

Hier werden Muster für komplexe Bewegungsabläufe gespeichert.

Bei einem Ausfall des primären motorischen Rindenfeldes können die Funktionen teilweise kompensiert werden ...

 

Für die Bewegungsplanung gibt es sog. 'prämotorische Areale', und für den 'motorischen Teil' der Sprache das sog. Broca-Sprachzentrum: Es liegt meist in der linken Hemisphäre - unabhängig davon, ob jemand Rechts- oder Linkshänder ist.

 

Primäres sensorisches Rindenfeld

 

Es ist zuständig für bewusste Empfindungen. Seine Informationen erhält es aus der Körper-Peripherie: Haut, Muskeln, Gelenken - und auch aus inneren Organen.

 

Die Informationen werden zunächst - über aufsteigende Bahnen - zum Thalamus geleitet und dort auf weitere Nervenzellen 'umgeschaltet': Durch die 'innere Kapsel' (= Capsula interna) zur 'hinteren Zentralwindung' (= Gyrus postcentralis) und ihren Nachbargebieten.

  • Capsula interna = Markschicht ... mit auf- und absteigenden Projektionsfasern zwischen Linsenkern und Thalamus usw. ...
  • Der Linsenkern = Nucleus lentiformis besteht aus Putamen (äußere Schicht des Linsenkerns) und dem Globus pallidus = Pallidum.

Das Pallidum gilt als Zentrum für 'Trieb- und primitive Reaktionsbewegungen' und unmittelbaren 'motorischen Ausdruck'.

Es wird kontrolliert und gehemmt vom Corpus striatum (= sog. Streifenhügel). 

 

Sekundäre sensorische Rindenfelder

Sie speichern Erfahrungen über frühere Empfindungen und vergleichen, erkennen und deuten sie.

Primäre und sekundäre sensorische Rindenfelder stehen miteinander in Verbindung.

 

Die Rindenfelder der Sinnesorgane

- Sehen - Hören - Riechen - Schmecken -

Die Empfindungen aus den Sinnesorganen werden hier verarbeitet: Erkannt, verglichen und gedeutet ...

 

In der Sehrinde des Sehzentrums werden optische Wahrnehmungen zu bewussten Empfindungen. 

  • In der primären Sehrinde endet die Sehbahn, in der sekundären Sehrinde werden optische Reize weiterverarbeitet.
  • Zur sekundären Sehrinde gehört auch das Lesezentrum.

Beim Hörzentrum unterscheidet man das akustische Wahrnehmungsfeld, dessen Zerstörung zur sog. 'Rindentaubheit' führt, und das akustische Erinnerungsfeld. Dieses ist verbunden mit dem 'sensorischen Sprachzentrum', dem Wernicke-Zentrum für Sprachverständnis.

 

Eine Schädigung des Hörzentrums führt zu akustischer Agnosie (= sog. 'Seelentaubheit', und zu sensorischer Aphasie (= Störung des Sprachverständnisses).

 

Siehe auch:

Wahrnehmung

Hören und Lernen, Sehen und Lernen

Wunderwerk Mensch - Sehbahn, Hörbahn

Glossar - Gedächtnis

Zum Nachdenken - Agnosie, Simultanagnosie, Aphasie, Projektionsbahnen

 

 

Quellen und zum Weiterlesen:

Klinisches Wörterbuch 'Pschyrembel' und 'Naturheilpraxis heute'

 

 

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