Hirnlokales Syndrom
… und Epilepsie …
‚Hirnlokales Syndrom’ ist eine Sammelbezeichnung für unterschiedliche Symptome bzw. Symptomkombinationen, die nach einer Gehirnschädigung (z. B. nach Durchblutungsstörungen)
auftreten.
Man unterscheidet vier Formen:
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Frontalhirnsyndrom (Stirnhirnsyndrom)
Der Frontallappen (Stirnlappen) enthält: Assoziationsareale Broca-Sprachzentrum (motorisch) | Hier gibt es zwei Formen:
1. Schädigung der frontalen Konvexität (… über den Großhirnhemisphären, der sog. ‚Haube’-?-)
Wichtige Symptome:
2. Schädigung des orbitalen Frontalhirns (… über der Augenhöhle -?-)
Wichtige Symptome:
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Temporalhirnsyndrom
Der Temporallappen (Schläfenlappen) enthält: Hörzentrum Wernicke-Zentrum für die Spracherkennung | Wichtige Symptome:
Wenn die dominante Hemisphäre betroffen ist:
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Parietallappensyndrom
Der Parietallappen (Scheitellappen) enthält: Lesezentrum Zentren für die Wahrnehmung von Tast-, Druck-, Schmerz- und Temperaturreizen
| Wichtige Symptome:
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Okzipitallappensyndrom
Der Okzipitallappen (Hinterhauptslappen) enthält: Sehzentrum Visuelles Assoziationsgebiet | Wichtige Symptome:
Wenn die dominante Hemisphäre betroffen ist und Corpus-callosum-Fasern beteiligt sind:
- Sog. Diskonnektionssyndrom. -
Selten:
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[Exkurs: Automatismen …
… sind unkontrollierte, nicht bewusst eingeleitete Handlungen oder Sprachäußerungen.
Sie laufen automatisch ab - zum Teil ausgelöst durch einen äußeren Reiz.
Man unterscheidet:
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Bewegungsautomatismen
| Zum Beispiel: Schlucken, Kauen, Schlecken, Schnalzen, Wischen, Nesteln, Grimassieren Gehen, Weglaufen Tics (Gesichts-, Nervenzucken) Echopraxie (Nachahmen von Bewegungen anderer) Befehlsautomatie (unkritisches Ausführen befohlener Handlungen - auch gegen den eigenen Willen - oder mechanisches Handeln)
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Sprachautomatismen | Zum Beispiel: Echolalie (Wiederholung gehörter Sätze oder Redewendungen) Recurring utterances (fortlaufende Aneinanderreihung von Silben, Wörtern oder Satzfragmenten)
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Spinale Automatismen | Reflexartige Bewegungsphänomene nach einer Querschnittsläsion: Spinaler Schock mit schlaffer Lähmung und Areflexie (Fehlen aller oder einzelner Eigenreflexe*)
Im weiteren Verlauf: Spastik (krampfartig erhöhter Muskeltonus) mit positiven Pyramidenbahnzeichen* Hyperreflexie (gesteigerte Muskeleigenreflexe) Evtl. pathologische Reflexe Sensibilitätsstörungen Vegetative Störungen (z. B. Störungen der Blutdruckregulierung, Blasenlähmung)
Gefahr: Atemlähmung, neurogener Schock
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Automatismen können bei einem sog. ‚komplex-partiellen Anfall’ (frühere Bezeichnungen waren z. B.: Psychomotorischer Anfall, 'Dämmerattacke') auftreten. Der Ablauf:
Nach einer sog. ‚Aura’* kommt es zu einer anfallsartigen, unterschiedlich starken Bewusstseinstrübung – mit unwillkürlichen Bewegungsabläufen – und zur anschließenden ‚Reorientierungsphase’.
* Als ‚Aura’ bezeichnet man Wahrnehmungen, die unmittelbar vor einem epileptischen Anfall auftreten können:
- Sensibel (z. B. Taubheitsgefühl, Kribbeln)
- Sensorisch (Geruchs- oder Geschmacksaura)
- Vegetativ (epigastrische Aura in der ‚Magengrube’)
- Psychisch (Glücks- oder Angstgefühl, Déjà-vu-Erlebnis)
Auch neurologische Symptome, die zu Beginn einer Migräne auftreten können, bezeichnet man als Aura:
Z. B. Seh- oder Sensibilitätsstörungen, unvollständige Lähmungen (Paresen), Aphasien (Sprachstörungen).]
* EIGENREFLEXE (= Muskeleigenreflexe) sind z. B. der Achillessehnen- und der Bizepssehnenreflex.
* PYRAMIDENBAHNZEICHEN sind Symptome, die bei einer Läsion des 1. motorischen Neurons auftreten:
- Zentrale Lähmung mit pathologischen Mitbewegungen (z. B. Babinski-Zeichen).
- Pathologische bzw. erloschene Fremdreflexe (z. B. Bauchhautreflex).
- Hyperreflexie (gesteigerte Muskeleigenreflexe).
Die PYRAMIDENBAHN ist eine der wichtigsten Leitungsbahnen.
Zu ihr gehören alle ‚absteigenden’ Leitungsbahnen, die ihren Ursprung in der Großhirnrinde haben und zu den MOTORISCHEN KERNEN der HIRNNERVEN oder zu den VORDERHORNZELLEN* des Rückenmarks ziehen.
- Sie leitet willkürliche Bewegungsimpulse.
- Wirkt hemmend auf die Regulation des Muskeltonus.
- Wirkt hemmend auf das Zustandekommen von Muskeleigenreflexen.
* In den VORDERHÖRNERN in der ‚grauen Substanz’ des Rückenmarks liegt das 2. motorische Neuron mit den ALPHA- und GAMMAMOTONEURONEN (sog. Vorderhornzellen).
Siehe hierzu auch: Zum Nachdenken - Projektionsbahnen, Rautengrube
-> Siehe auch: Leitungsbahnen: Pyramidenbahn etc.; Hirnnerven; Nuclei; Wunderwerk Mensch: Reflexe; Fragen, Fragen, Fragen: Epilepsie; Glossar: Chorea, Tics, Tourette, Sensibilitätsstörungen;
Zum Nachdenken: Aphasie, Apraxie, Echolalie, Schockformen etc.]
* Eine HEMIANOPSIE ist eine HALBSEITENBLINDHEIT mit Ausfall einer Hälfte des Gesichtsfelds.
Es gibt drei Formen:
1. HOMONYM, GLEICHSEITIG:
Auf beiden Augen; jeweils die linke oder rechte Hälfte ist betroffen.
Z. B. bei einer Schädigung im TRACTUS OPTICUS, in der SEHSTRAHLUNG oder im SEHZENTRUM
(-> Gesichtsfeldausfall zeigt sich auf der der Schädigung gegenüberliegenden Seite).
2. HETERONYM, GEKREUZT:
Beide Schläfen- oder Nasenhälften sind betroffen.
Z. B. als sog. ‚Scheuklappenblindheit’, wenn die SCHLÄFENHÄLFTEN betroffen sind (-> sog. bitemporale Hemianopsie bei einer Schädigung am CHIASMA OPTICUM = Sehnervenkreuzung).
Extrem selten sind die NASALEN HÄLFTEN betroffen
(-> sog. binasale Hemianopsie, z. B. infolge einer ‚Arachnoiditis optico-chiasmatica’ mit Narbenbildung und Kompression der Sehnervenkreuzung und des Sehnervs, z. B. durch ein Trauma).
3. AUSFALL beider SEHZENTREN im HINTERHAUPTSLAPPEN (OCCIPITALLAPPEN):
Führt nicht unbedingt zur völligen Erblindung, da das zentrale, makuläre Sehen erhalten sein kann
(-> röhrenförmige Gesichtsfeldeinengung).
[Von einer HEMIACHROMATOPSIE spricht man bei einer UNVOLLSTÄNDIGEN HEMIANOPSIE mit einer halbseitigen Störung des Farbensinns - meist kombiniert mit einem homonymen Gesichtsfeldausfall im oberen Quadranten - bei einer Schädigung des ‚Gyrus occipitotemporalis medialis’ (= Windung an der Unterfläche seitlich vom ‚Gyrus parahippocampalis’ = Windung an der Basalfläche des TEMPORALLAPPENS; gehört zum ‚LIMBISCHEN SYSTEM’’).]
* Mit NEGLECT (abgeschwächt als EXTINKTION) bezeichnet man die oft HALBSEITIGE Vernachlässigung des Körpers oder der Umgebung (motorisch, visuell oder sensibel).
Siehe auch: Fragen, Fragen, Fragen - Extinktion
* Beim ‚JACKSON-ANFALL’ kommt es zu tonischen Verkrampfungen oder Myoklonien (kurze ruckartige Zuckungen). Sie beginnen meist in den Extremitäten oder im Gesicht.
Siehe auch: Fragen, Fragen, Fragen - Epilepsie
-> Siehe auch: Limbisches System; Wunderwerk Gehirn – Kommissurenbahnen etc.;
Wunderwerk Mensch – Sehbahn; Zum Nachdenken: Aphasie, Apraxie
Zum Nachdenken …
‚Eine Blockade der GABA-Biosynthese führt zu Krämpfen.’
Siehe auch:
Spurenelemente - Kupfer
Fragen, Fragen, Fragen - Galaktose, Fruktose, Glutathion und GABA etc.
Gedankensplitter - 'Layer to layer'
Quelle und zum Weiterlesen:
Klinisches Wörterbuch ‚Pschyrembel’