"Aber meine Reflexe reagierten nicht. Ich lief nicht davon, ich warf mich nicht zur Seite.
Die Panik befand sich nur im Innern. Hilfe! ... Wo bin ich? Wo ist mein Körper?"
Gunilla Gerland - 'Ein richtiger Mensch sein. Autismus - das Leben von der anderen Seite'
-> Siehe auch Wahrnehmung - Gleichgewicht
Reflexe
Reflexe sind von unserem Willen unabhängige Reaktionen auf Reize.
Sie helfen uns z. B. in Situationen, in denen es es auf schnelles Reagieren ankommt, in denen bewusstes Überlegen zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde.
Reflexe regeln auch Körperfunktionen (z. B. unsere Muskelspannung) - damit unser Bewusstsein entlastet ist und frei ist für andere Aufgaben.
Reflexe werden in einem 'Regelkreis' vermittelt, dem sog. 'Reflexbogen':
Der Rezeptor (= Reiz-Emfänger) nimmt den Reiz auf.
Sensible Nervenfasern leiten den Impuls weiter, z. B. an das Rückenmark
(sog. 'Reflexzentrum' im Zentralen Nervensystem = ZNS).
Motorische Nervenfasern geben die 'Reflexantwort' weiter an den Effektor (= das ausführende Organ),
z. B. an einen Muskel.
Unbedinge Reflexe sind Reflexe, die ohne Beteiligung des Gehirns ablaufen.
Bedingte Reflexe sind erlernt (= sog. 'Konditionierung').
Frühkindliche Reflexe
In den ersten Lebenswochen und Monaten gibt es bei einem Neugeborenen viele Reflexe und 'Bewegungsautomatismen'. Diese verschwinden aber allmählich - mit zunehmender Ausreifung des Gehirns.
Ihr Fehlen oder eine Ungleichheit bei den Seiten oder ein verlängertes Bestehenbleiben können Hinweis auf eine Störung sein.
Bei den frühkindlichen Reflexen gibt es 'große Zonen', die angesprochen werden für eine 'Reflexantwort', und auch die Reizbeantwortung erfolgt noch sehr undifferenziert (= sog. 'Pallidumeigenschaft').
Die Reize werden hauptsächlich aufgenommen von den Hautrezeptoren und vom Labyrinth ( Gehör- und Gleichgewichtsorgan).
Der Reflexbogen verläuft über Thalamus und Pallidum - ohne Beteiligung des Großhirns (= sog. unbedingter Reflex; s. o.).
Zu den frühkindlichen Reflexen zählen insbesondere Reflexe der Nahrungsaufnahme, des Lage- und Bewegungssinns und 'Halte- bzw. Stellreflexe' - z. B.:
Nahrungsaufnahme
Suchreflex, Saugreflex, Schluckreflex
Lage- und Bewegungssinn, Haltereflexe
Greifreflexe (Handfläche und Fußsohle)
Schreitphänomen bzw. Kriechbewegungen in Bauchlage
Aufrichtungsreflex
Rückgratreflex
Halsstellreflex -> bei Seitwärtsdrehung des Kopfs dreht sich auch der Körper
Körperstellreflex -> bei Kopfdrehung dreht sich zunächst die Schulter, dann das Becken
Labyrinthreflexe
- Bewegungsreflexe = Reaktionen und Gliederstellungen nach Kopfbewegungen
- Reflexe nach galvanischer oder thermischer Reizung des Labyrinths
- Lagereflexe = abhängig von der Kopfstellung im Raum (z. B. kompensatorische Augenbewegungen)
Fluchtreflexe
- z. B. Zurückziehen des Beines bei Bestreichen der Fußsohle
Die frühkindlichen Reflexe werden bis zum Ende des 1. Lebensjahres schwächer oder verschwinden ganz. Oder sie werden - etwas abgeändert - in 'willkürliche' Bewegungen 'eingebaut'.
Neurologische Prüfung der Koordination - Früherkennung
Bei Säuglingen und Kleinkindern
Durch das Auslösen der 'Lagereaktionen':
Bei einer Veränderung der Körperlage reagiert der Säugling normalerweise mit typischen, jeweils altersabhängigen Bewegungsmustern, z. B. dem Landau-Reflex oder der Traktionsreaktion:
Landau-Reflex
Wenn man das Baby in 'schwebender Bauchlage' hält, hebt es seinen Kopf und streckt Wirbelsäule und Beine; wenn man dann seinen Kopf bewegt, löst sich diese 'Streckung' und es kommt stattdessen zu einer Beugung, v. a. im Hüftgelenk (ab etwa dem 3. Lebensmonat)
Traktionsreaktion
Ab der 6. Lebenswoche etwa kann der Säugling seinen Kopf recht stabil halten, wenn man ihn an den Händen hochzieht
-> Lähmungen können Störungen der Koordination vortäuschen ... oder auch umgekehrt ...?
Quelle und zum Weiterlesen:
Klinisches Wörterbuch 'Pschyrembel' und 'Naturheilpraxis heute'
Siehe auch:
Hormone & Co.: Vitamine, Enzyme; Essen & Co.
Wahrnehmung: Gleichgewicht
Wunderwerk Gehirn: Substantia alba
Zum Nachdenken: Cholin